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Stand: 06. August 2008
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Konfuzius hilft
 
Konfuzius hilft

Bücher 1 Wie liest man, ich, Du, hierzulande jemanden wie Konfuzius? Manches ist gar nicht schwer, ist leicht verständlich: Das Volk kann man dazu bringen, (dem Rechten) zu folgen, aber man kann es nicht dazu bringen, es zu verstehen. Das in Klammer eingefügte, stammt vom Übersetzer. Es ist eine Zufügung. Der Satz ist auch ohne sie nachvollziehbar. Beide Varianten sind verständlich. Schwieriger sind Aussagen wie: Wecken durch die Lieder, festigen durch die Formen, vollenden durch die Musik. Hier, so finden wir, ist die Mitteilungsform nicht mehr hinreichend. Es heißt: In der Kürze liegt die Würze etc. Trotzdem. Das Sprachgebilde ist zu kürzelhaft. Es passt nicht um mitteilen zu können, was gemeint ist. Die beiden Sprüche sind beispielhaft ausgewählt. Sie tragen die Nummer 8 bzw. 9 und sind Teil von Buch VIII. Insgesamt gibt es XX Bücher. Je weiter man, ich, Du in der Lektüre vorankommt, umso schwieriger und problematischer wird das Verstehen. Oftmals denk ich, das ist nicht richtig übersetzt. Da weiß man komplett nicht, was der Sinn ist. Der Meister wird oft gefragt, wie dies und jenes sicher zu unterscheiden ist. Hierauf antwortet er mit einem imaginären 1., 2. und 3. d.h. er trifft Unterscheidungen. Doch die Übersetzungswörter sind nichtssagend. Man liest’s und hat’s vergessen. Schade.

Die Lektüre stimmt auch unbehaglich interessierend. So spricht der Meister: Wer nicht strebend sich bemüht, dem helfe ich nicht voran, wer nicht nach dem Ausdruck ringt, dem eröffne ich ihn nicht. Wenn ich eine Ecke zeige, und er kann es nicht auf die anderen drei übertragen, so wiederhole ich es nicht. Da fließt vieles aus der eigenen Kultur hinein und mischt, synthetisiert sich mit Fremden. Ein moderner Lehrer um beim Beispiel zu bleiben, findet und erfindet immer neue Möglichkeiten, dem Schüler etwas beizubringen, das „auf Anhieb“ nicht zu vermitteln ist.

Bücher 2 Vielleicht sollte man, sollten wir Konfuzius anders lesen. Hörend. Inspirierend. Nicht verstehen-Wollend. Mit einer anderen Lese, - und Erwartungshaltung. Vielleicht wollen alte Texte anders wahrgenommen werden. Vielleicht ist ihr unpräzise im Ausdruck sein eine Art Trick oder mehr: Eigentümlichkeit. Vielleicht wollen derart Texte organisch gelesen werden, meditativ. Es heißt: Da war Yen Hui, er liebte das Lernen. Er übertrug nie seinen Ärger, er machte keinen Fehler zum zweitenmal. Das ist doch interessant. Das ist spannend. Man macht einen Fehler, korrigiert und macht diesen nie wieder. Wer beispielsweise einen Text oder Spielstück auswendig lernen will, weiß, dass man’s in der Regel nicht nach dem 1. Mal fehlerfrei hersagen kann. Die meisten können das nicht. Also ist Konfuzius oder zumindest dieser Spruch ein Hinweis, eine Hilfe für Auserwählte, also ganz wenige. Das ist die modern-kritische Leseart. Ich nenn sie die Drüberfliegerleseweise. Man versteht die Sache, das eigentlich Gemeinte nur äußerlich. Man könnte sich auch fragen, wie lernen funktioniert. Vielleicht gelingt es Konzentrationsvermögen und Stufung des Lernstoffes so ins Verhältnis zu setzen, dass Fehler in der Tat immer nur einmal nötig sind.

Bücher 3 Was also tun mit Konfuzius? Warten. Wir hier müssen warten auf eine zeitgemäße Übersetzung. Die Großen, Wissenschaftler wie Künstler des letzten Jahrhunderts hatten Glück. Da gab es eine, die sich nahtlos integrieren lies. Wo alles passte, selbst die vom Übersetzter jeweils angefügten Nacherzählungen. Für uns ist das Geschaffene wie eine Pyramide. Vieles beeindruckt. Trotzdem. Es sind nur Bruchstücke, die ganz geblieben sind. Konfuzius sagt: Ich habe gehört, der Edle hilft dem Bedürftigen, aber fügt nicht dem Reichen noch mehr zu. Dergleichen wirkt authentisch, wirkt heil, heilend und ist richtig übersetzt. Anderes wie gesagt, ist demoliert: Die Überschreitungen eines jeden Menschen entsprechen seiner Wesensart. Dadurch dass man seine Überschreitungen sieht, kann man einen Menschen erkennen. Man liest so was und meint etwas verstanden zu haben. Doch im Grunde ist das Übersetzte fehlerhaft, so, dass es ein bloßer Spruch bleibt, der schnell, kaum gelesen, wieder in Vergessenheit gerät. Geraten muss. Schließlich und endlich gibt es Aussagen, die so übersetzt sind, dass die Wörter mit einer, unserer Moral spielen, dass wir womöglich aufs falsche Pferd gesetzt werden, dank Konfuzius: Nicht das soll einen bekümmern, dass man kein Amt hat, sondern das muss einen bekümmern, dass man dafür tauglich werde. Nicht das soll einen bekümmern, dass man nicht bekannt ist, sondern danach muss man trachten, dass man würdig werde, bekannt zu werden. Dergleichen muss neu übersetzt werden. Da führt, wie man sagt, kein Weg dran vorbei.

Was tun mit Konfuzius? Am besten lesen. Es gibt genügend Substanz. Konfuzius ist lesenswert; auch in meiner Übersetzung. Er passt. Er ist vertrauenswürdig. Ich trau ihm durch alle Übersetzung hindurch. Es ist Konfuzius, der mir etwas zu sagen hat, dem ich zuhöre. Da wird nichts zurechtgebogen. Das auch und immer wieder. Doch dergleichen verstehe ich nicht. Ich vergess es. Hab es vergessen, kaum, dass ich es las. Es sind die Übersetzungswörter, die wir woanders her, von anderen kennen. Es wurde gleichwohl darum gerungen. Ich denke, ja, dem ist so. Trotzdem. Wir brauchen andere. Für heute passende.

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Der Text:
Konfuzius. Gespräche (Lun-yü). Übersetzt von R. Wilhelm (1873-1930).
Neu herausgegeben: 2005 Verlag C.H. Beck oHG dtv, München.
 
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