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Stand: 05. Oktober 2008
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Gracian’s Handorakel und Kunst der Weltklugheit
 
Gracian’s Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Baltasar Gracián Schopenhauer hat Recht: Gracian’s Handorakel und Kunst der Weltklugheit liest man am besten kreuz und quer. Mal hier mal da, so, wie die Schmetterlinge oder Bienen es tun. Beide, Schöngeister und Arbeiter profitieren von der Lektüre.

Den spanisch schreibenden Jesuiten aus der Renaissance hat Arthur Schopenhauer übersetzt. Zeitgemäß. Ohne barocken Schwulst und sonstige Absonderlichkeiten. Gemäß dessen Anspruch, über das Ziel hinaus, in unsere Zeit, für uns heute Lebende zu schreiben. Das merkt man. Gracian spricht die Sprache Schopenhauers bzw. jener teilt in seinem Werk die Welt und Menschensicht von Gracian. Im Aphorismus 83 heißt es, man solle sich verzeihliche Fehler erlauben; auch Homer schlafe bisweilen, wäre nachlässig, um das Miswollen zu besänftigen, dass es nicht berste vor Gift. Man werfe, heißt es, den Gedanke abrundend, dem Stier des Neides den Mantel zu, die Unsterblichkeit zu retten.

Es ist seltsam. Man liest das Buch von A bis Z, d.h. von Aphorismus 1 bis 300. Man findet die Lektüre spannend, ist beschäftigt, wird geistig inspiriert; wochenlang. Und doch ist es so, so wie Schopenhauer es vorhersagt, dass nach der Erstlektüre, die eigentliche, die „Das-ist-mein-Lebensbuch“, die obige Kreuz, -und Querlektüre, die Bienen und/oder Schmetterlingslektüre beginnt, vielleicht beginnen kann.

Arthur Schopenhauer Gracian lesen und Zeit haben, gehört zusammen. Wenn immer wir Gracian lesen, ist, so könnte man pointiert schreiben, die Zeit unser. Das Telefon klingelt. Egal. Draußen stürmt oder schneit’s. Es tut nichts zur Sache, wie man sagt. Die Sache ist, dass wir uns beim Lesen, schlicht gesagt, wohlfühlen, richtig -nach uns gestimmt sind, gestimmt werden, denn wir sprechen, unterhalten uns mit einem Freund, einem alten. Gracian ist alt, uralt, so alt zumindest, wie die europäische Kultur. Ein Fundus. Eine Quelle oder der Quelle zugehörig. Was Gracian in der Sprache Schopenhauer’s, also in einer uns heutigen, verständlich-nachvollziehbaren Sprache mitteilt, ist eine Zusammenfassung von dem, was andere, die auch unsere Freunde sind, zuvor erkannten, als Regel überlieferten. Gracian ist so Medium, der das zur Sprache bringt, was europäische Welt, was „So-ist-der Mensch“ -sicht genannt werden kann.

Gracian’s Handorakel und Kunst der Weltklugheit ist ein Puzzle. Das mit Sicherheit. Vielleicht eines, das sich in jede Welt- und Menschensicht einfügen lässt, wie ein Joker oder eines, das groß, rund und schön ist, so, dass wir keine weiteren Ersatzsichten benötigen. Wie immer gewollt oder gedeutet. Unsereins wird auf dieses Buch, diese immerwährende Lektüre nicht mehr verzichten. Solange *sic!* wir Gracian lesen, können, dürfen, gehören wir uns. Hören zu.

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Der Text:
Balthasar Gracian. Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit. Übersetzt von Arthur Schopenhauer.
Es gibt viele identische Ausgaben. Hier: virtusens. Wolke & Dechering. Heinrich-Schmidt-Straße 3. D-04347 Leibzig.

Weiterführender Link:
Karl Alfred Blüher über Baltasar Gracián →
 
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